Woher kommen unsere Glaubenssätze?

Etwas hat mich in den Bann gezogen, ich habe Feuer gefangen, ich spüre Leben in mir, es entsteht ein vages Bild einer Vision....

Aufkeimende Hoffnung, Inspiration, das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch äußern sich in dem zaghaften Gedanken: „Vielleicht sollte ich das einfach mal probieren!“  Das zarte Pflänzchen der Hoffnung, der Inspiration, der Leichtigkeit wird sofort quittiert durch den Schlag einer imaginären Bratpfanne im Kopf – Boing! Stop! Ich falle in eine Art Starre, bin wie gelähmt und weiß nicht, warum ich nicht vorwärts gehen kann! Ich finde 1001 Grund, damit ich alles so lassen kann, wie es ist...

 

Wenn ich Glück habe, läuft der ganze Prozess etwas langsamer und bewusster ab und es gelangen einzelne Fragmente aus dem Unterbewusstsein an die Oberfläche. Vielleicht gelingt es mir, einzelne Gedanken festzuhalten und isoliert zu betrachten: Ich kann erkennen, dass Stimmen in mir laut werden, die mich eindringlich in meine Schranken weisen: Das kann nicht funktionieren! Bleib auf dem Teppich! Du bist anders, dir fehlen die Voraussetzungen, denn:

„Du bringst nie etwas zu Ende!“

„Du warst noch nie besonders beliebt!“

„Du hast keinen Humor!“

„Du bist zu verbissen!“

„Du hast zu viele Flausen im Kopf!“

„Du bist zu schüchtern!“

„Du hast keine Erfahrung!“

„Du bist und bleibst ein Träumer!“

„Du bist zu langsam!“

„Du kannst dich nicht durchsetzen“!

„Du hast nicht genug Ausdauer!“

Wer spricht denn da?

Hier werden die Stimmen meiner Eltern, Verwandten, Lehrer... laut, die Meinungen und Bewertungen über mich wiedergeben. Ich komme zu dem Schluss: „Ja, ja, ihr habt ja Recht. Ich habe nicht das Zeug! In meiner Familie hat sich so was noch nie jemand getraut! Das gibt’s bei uns nicht! Ich sollte vernünftig bleiben! Ich sollte realistisch sein! Ich habe wieder gesponnen! Wie peinlich! Mir würde so was doch nie gelingen! Andere haben’s vielleicht geschafft – aber ich nicht! Ist ja auch viel zu riskant! Was da alles schiefgehen kann! Ich sollte lieber zufrieden sein, mit dem, was ich habe! Schuster, bleib bei deinen Leisten! Lieber den Spatz in der Hand... Wie undankbar bin ich obendrein!“

 

Wie kommt es zu solchen Glaubenssätzen, die uns am Fortschritt hindern und unsere Entwicklung lähmen und wie konnten sie Teil unseres Selbstbildes werden?

Warum ist es so schwer, sie zu verändern?

Zunächst ging's nur ums Überleben...

Erziehungs- und Bezugspersonen haben bereits früh begonnen, unsere kindlichen Verhaltensweisen zu steuern und zu kontrollieren. Wir sollten ja später in dieser Welt gut zurechtkommen. Dazu vermittelten sie uns Regeln, Normen und Werte und wir haben diese zunächst, bis wir ca. fünf Jahre alt waren, ungefiltert übernommen. Auch persönliche Glaubenshaltungen und Verhaltensprogramme der Eltern oder anderer Bezugspersonen stellten wir in diesem Alter nicht in Frage und haben diese im Unterbewusstsein gespeichert. Das betrifft auch die Einstellungen der Bezugspersonen und ihre Beziehung zu uns.

Erwünschte Verhaltensweisen wurden durch eine positive Reaktion unserer Eltern verstärkt. So zeigten sie vielleicht Begeisterung, wenn wir den Teller leer gegessen haben. Wir haben schnell begriffen, dass, wenn wir schreien, jemand kommt und sich um uns kümmert. Kinder erfassen schon früh kausale Zusammenhänge zwischen ihrem Verhalten und der Reaktion der Außenwelt. Da wir alle als Kinder den Zustand der Liebe, der Anerkennung und der Zufriedenheit der Menschen in unserem Umfeld dauerhaft aufrecht erhalten wollten, um unser Überleben zu sichern, haben wir unser Verhalten entsprechend den Vorstellungen und Erwartungen unserer Bezugspersonen angepasst.

 

Die Anpassung des frühkindlichen Verhaltens an die Erwartungen des Umfelds geschah einerseits wie bereits erwähnt, um Belohnung durch Liebe, Zuneigung und Anerkennung zu erhalten. Andererseits wollten wir Bestrafung in Form von Angst, Ablehnung und Scham vermeiden. So könnten die Eltern auf das Schreien auch mit Ärger und Gereiztheit reagiert haben und wir als Kind haben dann daraus geschlossen, dass wir unsere Bedürfnisse unterdrücken müssen, um Ärger bei den Bezugspersonen zu vermeiden. Auf diese Weise haben wir erfolgreiche Verhaltens- und Handlungsstrategien entwickelt, um uns die Zugehörigkeit zu unserer Familie zu sichern und mit den unterschiedlichsten Lebenssituationen  klar zu kommen.

Verallgemeinerungen, Rückschlüsse, Korrekturen...

Die Erziehungsmaßnahmen unserer Eltern gingen weiter: wenn wir unerwünschtes Verhalten zeigten, wurden uns verbale und nonverbale Einschärfungen und negative Botschaften mit auf den Weg gegeben, aus denen wir als Kind Grundannahmen über uns selbst abgeleitet und verallgemeinert haben.

 

Z.B. „Ein Indiander kennt kein Schmerz! Jungen weinen nicht!“

Als Grundannahme könnte hier verstanden werden: Wenn ich Gefühle zeige, werde ich abgelehnt. Also darf ich keine Gefühle zeigen.

Oder: „Hänge nicht immer an meinem Rockzipfel! Ich möchte auch mal meine Ruhe haben!“ könnte heißen: Wenn ich zu nah komme, werde ich weggeschickt. Ich darf nicht zu nah sein, ich muss auf Abstand bleiben.

 

So können kleine Bemerkungen wichtiger Personen aus dem Umfeld gravierende Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung und den Selbstwert des Kindes haben: Ein „Das kannst du nicht!“ von der Mutter oder ein „Hast du das immer noch nicht kapiert?“ von der Erzieherin kann dazu führen, dass das Kind daraus schließt: „Ich bin dumm! Ich werde es nie lernen! Ich bin auf Hilfe angewiesen!“

 

Diese und ähnliche Botschaften erhalten Einzug in unser Selbstbild. Je öfter sie wiederholt werden und durch Erfahrungen bestätigt werden, desto wahrer werden sie für uns. So identifizieren wir uns schließlich mit diesen Botschaften wie z.B.:

"Ich bin halt launisch!"

"Man darf mich nicht reizen, sonst explodiere ich!"

"Ich kann nicht auf andere zugehen!"

"Ich kann mich nicht durchsetzen."

"Ausdauer und Geduld gehören nicht zu meinen Stärken!"

 

Hinzu kommt, dass sich das Erlernen bestimmter Verhaltensweisen und -muster auch in unserem neuronalen Netzwerk abbildet. Die Anpassung an die in einer Familie oder Gemeinschaft vorgegebenen Verhaltensweisen wird auch physiologisch unterstützt: Dabei spielt Angst eine große Rolle, die wir natürlich vermeiden wollen. Deshalb verhalten wir uns entsprechend, um Bestrafungen zu entgehen und stattdessen Anerkennung und Liebe zu erhalten. Wenn Angst nachlässt, werden im Gehirn Botenstoffe ausgeschüttet, die eine Stabilisierung der aktivierten neuronalen Verschaltungen bewirken. Dadurch wird das Verhalten, das zur Angstreduktion geführt hat, etabliert. In der frühen Kindheit und in manchen Kontexten ist dieser Mechanismus durchaus sinnvoll, aber er hat zur Folge, dass sich bestimmte Muster und Programme bis ins Erwachsenenalter eingeprägt haben, auch wenn sie dann nicht mehr effektiv sind. Wenn ein Kind z.B. gelernt hat, dass es durch Anpassung und „brav sein“ Liebe und Zuneigung bekommt, hingegen bei Widerspruch und Widerstand seine Bezugsperson ärgerlich wird und es mit Liebesentzug bestraft wird, kann dies dazu führen, dass sich aus Angst vor Verlust eine sehr angepasste Persönlichkeit entwickelt, die keine eigene Meinung vertritt und stets darauf bedacht ist, nirgendwo anzuecken.

 

 

Interessant finde ich zudem die Theorie, die z.B. Dr. Joe Dispenza vertritt, nach der eine biochemische Abhängigkeit von uns vertrauten Gemütszuständen besteht. Er geht davon aus, dass bestimmte Gedanken chemische Stoffe im Gehirn ausschütten, die den gesamten Körper durchströmen. Dies führt dazu, dass dann die zu den Gedanken passenden Gefühle hervorgerufen werden, was wiederum entsprechende Gedanken auslöst. Es entsteht ein Kreislauf: Je öfter bestimmte Gedanken gedacht werden, umso mehr verstärkt sich die Ausschüttung dieser Stoffe und damit die Auslösung entsprechender Gefühle, was dann wiederum Einfluss auf unsere Gedanken hat. So befinden sich chemische Stoffe in einer bestimmten  Mischung und Konzentration im Körper, die einer speziellen chemischen Signatur entsprechen. Diese Signatur repräsentiert einen vertrauten Gemütszustand in unserem Organismus, welcher  sich im Gehirn und im Körper eingeprägt hat und als chemisches Gleichgwicht  möglichst aufrecht erhalten bleiben soll.

 

Daher ist es einleuchtend, dass es so schwierig ist, Gedanken und Verhalten zu verändern. Werden neue Gedanken produziert, so gerät der Körper aus seiner gewohnten chemischen Balance. Es entseht eine Irritation, die wir  auch wahrnehmen können: Dieses Gefühl, unsere Komfortzone zu verlassen, kennen wir alle - wir fühlen uns unsicher, ausgeliefert, ängstlich und ungeschützt. Um uns davon zu überzeugen, dass alles beim Alten bleiben soll, senden die Körperzellen Botschaften an das Gehirn z.B. in Form von Bildern oder Erinnerungen, die dann wieder "alte" Gedanken auslösen. Es werden demensprechend wieder die gewünschten "alten"  chemischen Stoffe produziert und freigesetzt.

Was läuft da ab? ...Der erste Schritt zur Veränderung.

Glaubenssätze enthalten Meinungen über uns selbst: Wie selbstbewusst, wie erfolgreich, wie beliebt wir sind oder welche Fähigkeiten wir haben und ob wir diese umsetzen können, zeigt sich nicht zuletzt darin, welches Bild wir von uns selbst in uns tragen. Unsere Überzeugungen bilden die Grundlage für das spätere Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln und bestimmen heute noch unsere Persönlichkeit.

Inzwischen sind wir vielleicht erwachsen geworden, aber wir merken dennoch, dass diese Glaubenssätze und Überzeugungen noch immer wirken. Sie haben Einfluss auf unsere Entscheidungen, unsere Beziehungen und unsere Vorstellungen von dem, was richtig und falsch ist, was möglich ist und was nicht geht. Dies kann sehr einschränkend und lähmend sein. Unsere Wünsche, Ziele und die Möglichkeit, Einfluss auf unser Leben zu nehmen, unsere gesamte Lebenssituation hat sich verändert. Eigentlich passen diese eingestaubten Glaubenssätze und Überzeugungen, die sich früher als eine "Überlebensstrategie" entwickelt haben, nicht mehr zu unserer heutigen Lebenssituation und müssten daher dringend einem Update unterzogen werden.

 

Obwohl uns das oft bewusst ist, fällt es uns dennoch schwer, sie loszulassen. In bestimmten Situationen läuft ein Muster ab, eigenständig wie ein Waschmaschinen-Programm, und wir stehen „neben uns“ und können nur zuschauen. Aber dies ist schon der erste Schritt, denn nur wenn wir uns unsere Glaubenssätze, unsere Denk- und Verhaltensmuster bewusst machen, können wir den Weg in die Veränderung beginnen...